Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 03 - Herbst 2021

12 Der Beruf des Apothekers professionalisierte sich zusehends. Der zukünftige Pharmazeut musste sich über Lateinkenntnisse ausweisen. In Burgdorf gab es sogar Apotheker und deren Söhne, die im Ausland Medizin studiert hatten. Der Fall des Dr. Johannes Kupferschmid Der 1691 geborene Johannes Kupferschmid gilt als der erste studierte Arzt in Burgdorf. Er stammte aus einer angesehenen Familie und erlangte 1715 in Basel den Doktortitel. Als sich 1729 der Dachdecker Daniel Osti bei Reparaturarbeiten am Rathausdach schwer verletzte und beim Transport in die Grosse Apotheke verstarb, entschied der herbei geeilte Kupferschmid den Leichnam zu anatomischen Studien heimlich weg zu schaffen. Ebenfalls dabei waren Andreas Grimm, Medizinstudent und Sohn des Apothekers sowie der Burgdorfer Chirurg Johannes Mathys. Sie sezierten den tödlich Verunfallten im Gartenhaus der Kupfer- schmidschen Villa auf dem Gsteig. Doch der Leichenraub flog auf. Pfarrer Gruner, der die Leichenrede gehalten hatte, wetterte von der Kanzel herunter und verlangte Konsequenzen. Den Rat der Stadt Burgdorf brachte dies allerdings in grosse Ver- legenheit. Denn Kupferschmid und auch der Vater von Andreas Grimm waren selbst Ratsherren. Die Ange- schuldigten rechtfertigen ihr Handeln mit der Wichtig- keit des Studiums ammenschlichen Körper. Sie hätten bei der Entwendung der Leiche keine weiteren bösen Absichten gehabt. So wurden sie nur zu hohen Bussen und zur Übernahme der Verfahrenskosten verurteilt. In späteren Jahren liess Dr. Kupferschmid wohl eine eigene kleine Klinik am Gsteig errichten, die aber be- reits während dem Bau 1737 ausbrannte. Irgendwann verliess er Burgdorf und starb 1750 in Paris. Gesundheitsversorgung wird weltlich Die Episode des Dr. Kupferschmid macht exempla- risch deutlich, wie sich die Heilkunst über die Jahr- hunderte entwickelt hatte. Während in früheren Zeiten Krankheiten und Gebrechen kaum mit der menschli- chen Anatomie in Verbindung gebracht wurden, so wollte man jetzt genauer wissen, wie der Körper funk- tioniert, wie Krankheit und Beschwerden entstehen und wie sie geheilt werden könnten. Mit den neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnissen wuchsen auch die Anforderungen an die Gesundheits-Instituti- onen. Im 18. und erst recht im 19. Jahrhundert, das von der Industrialisierung und von Bevölkerungswachs- tum in unserer Gegend geprägt war, wurde man sich der Notwendigkeit von professioneller Krankenpflege vollends bewusst. Auf die mittelalterlich geprägten Hospitäler, die allen Notleidenden zur Verfügung standen, folgten Kran- kenanstalten, die sich auf die medizinische Versorgung konzentrierten. Diese Entwicklung wurde zudem durch die Tatsache vorangetrieben, dass nach der Reformation die Gemeinden die Armen- und Kranken- versorgung übernahmen und in diesem Bereich die Kirchen ablösten. Von den Krankenstuben zum Regionalspital In Burgdorf existierten das bereits erwähnte Untere Spital und das Obere Spital. Die wenigen Betten der beiden Anstalten reichten nicht aus, so dass oftmals das grössere Inselspital und dessen Vorgänger das Krankensaal im Regionalspital um 1913 (Bild Burgerarchiv Burgdorf)

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