Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 03 - Herbst 2021

10 In der mittelalterlichen Gründungszeit gab es in Burgdorf wohl weit und breit keinen Arzt, den die Bevölkerung hätte konsultieren können. Vielleicht hatten die Herren auf dem Schloss Zugang zu medi- zinischer Versorgung oder einen Leibarzt. Für die breite Bevölkerung jedoch war das Kurieren von Krankheiten oder Verletzungen notgedrungen eine Privatsache und vor allem Gottes Wille. Öffentliche Institutionen, die sich um ihre Gesundheit kümmer- ten, gab es vorerst nur wenige. Die Alt-Kyburger stifteten Burgdorf im Zuge der zwei- ten Stadterweiterung um 1280 das «Untere Spital». Es lag gleich neben dem Barfüsserkloster des Franzis- kanerordens ausserhalb der Stadtmauern beim spä- teren alten Schlachthaus. Doch als Spital im heutigen Sinne darf man sich diese Institution wahrhaft nicht vorstellen. Das mittelalterliche Hospital war nämlich eher eine Art Ruheraum für Arme und Kranke ohne medizinische Funktion. Der Heilungsprozess wurde der Natur und Gott überlassen. Die Kranken sollten genug schlafen, auf Hygiene achten und sich ange- messen ernähren. In den dem Spital angegliederten Badstuben sollten die Kranken ausgiebig baden. Die Anwesenheit von medizinisch oder heilpraktisch ge- schultem Personal wurde nicht als notwendig erach- tet. Kein Wunder, denn fundierte medizinische Ausbildungen waren zu jener Zeit noch nicht weit ver- breitet. Allenfalls gab es in Burgdorf sogenannte Wundärzte zur Versorgung äusserer Verletzungen, die für ihre Tätigkeit in der Regel eine handwerkliche Ausbildung bei einem Bader oder Barbier absolviert hatten. Ansonsten gab es das alte Wissen eben jener Bader, die in ihren Badstuben Schwitzkuren, Kräuter- bäder, Schröpfen, Aderlasse aber auch Zähneziehen praktizierten. Später wagten sie sich auch an kleinere chirurgische Eingriffe und die Versorgung von Wun- den, was ihnen einigen Ärger mit den «Praktikern» der handwerklichen Heilkunst, wie man die Wund- ärzte bezeichnete, einbrachte. Für Menschen, die als unheilbar krank und ansteckend galten, gab es wohl bereits im 13. Jahrhundert das Sie- chenhaus etwas ausserhalb unserer Stadt. Die «Tot­ geweihten» litten oftmals an Lepra oder Aussatz und lebten als weitgehend selbstversorgende Gemeinschaft von der Stadtbevölkerung isoliert. Zur Linderung ihres Leids war das Baden, Schwitzen und Schröpfen auch hier die Hauptbehandlungsmethode. Denn man ging davon aus, dass die krankmachenden Körpersäfte aus- geschieden werden müssten. Diese aus der Antike stammende Theorie der Körpersäfte, die – wenn sie nicht im Einklang miteinander stehen – für alle Krank- heiten verantwortlich sind, sollte die Entwicklung der Heilkunst noch viele Jahrhunderte lang dominieren. Geschichte der Gesundheitsversorgung Heilsglaube und Naturwiss

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