Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 02 - Sommer 2021

9 1722 realisierten Stollen für den Mühlebach durch den Schlossfelsen konnte dies weiter verbessert werden. Der Tunnel sorgte dafür, dass hinter dem Schlossfel- sen passendes Gefälle bestand, so dass etliche Hand- werksbetriebe in der Unterstadt die Wasserkraft nutzen konnten. Zudem wurden dadurch die regelmä- ssigen Überschwemmungen am Fusse des Felsens, die sogenannte «Schlossglungge» entschärft. Das Kanalsystem beflügelte die wirtschaftliche Ent- wicklung Burgdorfs mit den im 19. Jahrhundert ent- stehenden Spinnereien, Webereien, Gerbereien und mechanischen Werkstätten. Sie alle nutzten mit zahl- reichen kleinen Kraftwerken die Wasserkraft entlang der Kanäle systematisch. Für die Haushalte hingegen gab es noch keine eigent- liche Energieversorgung. Hier galt immer noch, was schon seit Jahrtausenden so war: Wer es in seinem Haus warm und hell haben oder kochen wollte, musste sich selbst darum kümmern. Man besorgte sich Holz oder Torf und später aus Deutschland und Frankreich importierte Kohle für Wärme und Kochen; Wachs, Petroleum oder Öl, wenn man seine Räume erhellen wollte. Energieversorgung im Haushalt war Sache jedes Einzelnen. Es brauchte einige technische Errungenschaften und gesellschaftliche Entwicklun- gen bis sich daran etwas ändern sollte. rom Dann begann das Stadtgas zu leuchten Nicht etwa Erdgas, sondern ein aus der Vergasung von Kohle entstehendes, nicht eben gesundes Stadt- gas erleuchtete ab den 1820er Jahren die Strassen in den Metropolen Europas und manche Häuser gutbe- tuchter Bürger. In Bern wurde 1843 das erste schwei- zerische Gaswerk in Betrieb genommen. In Burgdorf war es 1862 so weit: Das vom Schaffhauser Karl Emil Ringk neu gebaute und finanzierte erste Gaswerk nahm seinen Betrieb auf. Von der Lyssachstrasse aus versorgte es über ein Haupt- und Nebenröhrensystem 81 öffentliche Laternen und bei 120 privaten Abonnen- ten rund 800 Flammen. Die Leuchtkraft der öffentlichen Gas-Laternen war damals überwältigend und viel heller als die vorheri- gen alten Öllaternen, von denen zu jener Zeit gerade mal 42 Stück an manchen Hausfassaden hingen. Die Stadt hatte mit Herrn Ringk einen detaillierten Liefer- vertrag abgeschlossen. Dieser regelte, wieviel Gas dem Unternehmen für die öffentliche Beleuchtung mindestens abgenommen wurde. Festgelegt wurde auch, dass der Unternehmer für die Verlegung der Röhren und den Aufbau der Laternen zuständig war. Zudem war das Gaswerk verpflichtet, dass das Stein- kohle-Gas beste Qualität hatte, keine Spuren von schwefelhaltigen Dämpfen und Ammoniak enthielt und beim Verbrennen weder Geruch noch Rauch verbreite. 1898 erwarb die Stadt das Gaswerk für knapp 163’000 Franken. Nur wenige Jahre später beschloss die Ein- wohnergemeinde einen Neubau. Das neue Gaswerk in der Buchmatt samt Gasbehälter nahm seinen Betrieb 1906 auf. Dies war die Blütezeit der Leuchtgas-Nut- zung. Zu jener Zeit kamen auch die ersten Gasherde in die Küchen, die dank der Zufuhr von Sauerstoff genü- gend Hitze zum Kochen erreichten. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Gaslicht durch die elekt- rische Glühbirne verdrängt. Und viele Jahre später bekam Gas in Form von Erdgas eine neue Rolle bei der Energieversorgung. Die eigene Burgdorfer Gaspro- duktion wurde 1967 stillgelegt und ab den 1970er Jah- ren durch vom Gasverbund Mittelland bezogenes Erdgas ersetzt. Die vollzogene Umstellung auf Erdgas führte zu einer enormen Zunahme des Gasverbrauchs und machte bald den Ausbau des alten Leitungsnetzes und der Einspeisung notwendig. > Stand des Elektrizitätswerks an der Industrie- und Gewerbeausstellung in Burgdorf 1908. Die elektrischen Glüh– lampen waren das Symbol der Elektrifizierung im Haushalt. Daneben gab es vor allem Bügeleisen und Kaffeemaschinen

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