Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 02 - Sommer 2021

23 Neu, experimentell, überregional Die Ausrichtung der Kulturfabrik war von Beginn an überregional, geknüpft an eine einzige Bedingung: Qualität. Damals wie heute ging es um Mut zur Spon- taneität, zum Unangepassten. Neues, experimentel- les bis anarchistisches Schaffen stand und steht im Zentrum. Auch wenn vieles, was geschaffen wird, vorerst unver- ständlich erscheinen mag. Heute wird in der Fabrik permanent in zehn Ate- liers gearbeitet. Hinzu kommt der Theaterzir- kus Wunderplunder, welcher seit 20 Jahren ebenfalls Mitglied des Vereins ist und jeweils in und um die Fabrik sein Winterquar- tier bezieht. In den Sommermonaten, wenn die «Wun- dis» auf Tournee sind und die grosse Halle im Erdgeschoss leer ist, steht dieser Raum für zwei bis drei Monate als Gastatelier zur Verfügung. In Zusam- menarbeit mit der Stadt wird er an auswärtige Kunst- schaffende im Rahmen eines Stipendiums vergeben. Dieses Jahr an den 30-jährigen russischen Künstler Stanislav Komissarov. m Kanton Bern Abschied nach 36 Jahren Einer, der seit der Vereinsgründung in der Fabrik an- zutreffen ist, ist der Bildhauer Pi Ledergerber, der vor allem mit Stein arbeitet. Mit seinen Skulpturen in Form von Kuben und Säulen hat er sich in den vergan- genen Jahrzehnten einen Namen gemacht. Oftmals sehen sie aus wie eine Aufschichtung aus einzelnen Steinen und Steinplatten. Bei näherer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass Pi Ledergerber die Werke durch Einschneiden oder gezieltes Wegschla- gen aus einem einzigen Steinblock herstellt. So geht von den Skulpturen eine einzigartige Faszination aus. Sie wirken im Zusammenspiel von Licht und Schatten, welche die Eigenheiten des natürlichen Materials un- terstreichen und den Werken ihre Struktur verleihen. «Viele Leute meinen, ich würde einzelne Steine aufei- nandersetzen und fragen mich nach dem Klebstoff», sagt Pi Ledergerber mit einem Augenzwinkern. «Die Kulturfabrik ist einzigartig im Kanton Bern», betont der 70-jährige, der neben Burgdorf auch in der deutschen Bodenseeregion arbeitet. Dort zieht es ihn nun definitiv hin – auch weil seine Partne- rin in Deutschland lebt. Und so verlässt er nach mehr als 36 Jahren als letzter der Gründergeneration die Kulturfabrik mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Ein gigantisches Werk Gut lachen hat derweil eine andere lang- jährige Mieterin eines Ateliers in der Fabrik: Verena Welten hat vor kurzem ein gigantisches Werk abgeschlossen, an welchem sie über die letzten drei Jahre gearbeitet hat. Die Künstlerin nahm sich ein geschichtsträchtiges Vorbild für ihre jüngste Collage: Den Tausendblumenteppich von Karl dem Kühnen, welcher im Historischen Museum in Bern eine ganze Wand füllt. Die Tapisserie stammt aus der Burgunderbeute der Eidgenossen und misst satte sieben mal drei Meter. Das feingewobene Blumen- meer mit dem zentral eingebetteten goldenen «In der Kulturfabrik können sich die Kunstschaffenden entfalten. Jeder und jede für sich, aber doch auch mit den Möglichkeiten der Gemeinschaft.» Verena Welten, Künstlerin Bild links: David Aebi «Die Herrschaft der Dinge», das neuste Werk von Verena Welten (rechts), entstand in Anlehnung an den mittelalterlichen Tausendblumenteppich, welcher in der Dauerausstellung des Historischen Museums in Bern zu betrachten ist

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