Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 01 - Frühling 2021

7 So stellten die Burgdorfer bereits 1576 in Bern das Gesuch, einen Lehrgehilfen, einen sogenannten Pro- visor für die nicht ganz so anspruchsvollen Fächer wie Mathematik oder Französisch einstellen zu dürfen. Und auch das Erlernen der deutschen Sprache erhielt bald einen anderen Stellenwert. Unter dem Einfluss der Reformation und verschiedener humanistischer Strömungen wuchs die Einsicht, dass das Volk Deutsch lesen und schreiben lernen soll. Bis diese Absicht jedoch auch die ländlichen Gebiete erfasste, sollte es noch viele Jahre dauern. Je nach Geschlecht, sozialer Stellung und Region schwankte die «Alpha- betisierungsquote» noch erheblich. Um den Kindern auf dem Land wenigstens Kenntnisse über das Evan- gelium vermitteln zu können, ordnete die Berner Ob- rigkeit den Besuch der Kinderlehre an. Diese förderte zwar die biblischen Kenntnisse, lehrte aber weder lesen noch schreiben. Schule für die Oberschicht Schulbildung war über lange Zeit den Söhnen der städtischen Oberschicht vorbehalten. Die Burgdorfer Burger waren diesbezüglich tonangebend und be- strebt, für die Schulbildung ihrer Kinder gute Rah- menbedingungen zu schaffen. Sie sorgten auch dafür, dass ab der Mitte des 17. Jahrhunderts die Mutter- sprache des Volks regelmässig gelehrt wurde. Des- n, ist im Vorteil halb wurde um 1664 die «deutsche Lehrmeisterei» begründet und ein offizieller Lehrer beschäftigt und bezahlt. Einquartiert war diese Lehrmeisterei in einem eigens angekauften Haus am Kirchbühl. Der erste Lehrer war ein Georg Schnell. Ihm folgten wei- tere bekannte Vertreter der Burgerfamilien wie Grimm, Dür, Stähli oder Dysli. Darüber hinaus stifte- ten wohlhabende und vorausschauende Burger schon zu jener Zeit Stipendien für Söhne, die sich auf höhe- ren Schulen ausbilden lassen wollten. Im Verlauf der nächsten Jahrzehnte erfuhr die deutsche Lehrmeis- terei eine gewisse Öffnung auch für nicht-burgerliche Kinder. Zumindest die Kinder der sogenannten Aus- burger (Familien mit Burgerrechten, die ausserhalb der Stadt wohnten) konnten gegen Bezahlung die Schulen besuchen. Aus jenen Jahrzehnten Mitte des 17. Jahrhunderts stammt übrigens auch die Idee, den fleissigsten Schulkindern am jährlichen Schulfest silberne Pfennige zu schenken. Dies ist die Geburtsstunde des Solätte-Talers und vermutlich auch der Anlass, doch nun auch für die Töchter eine Schulbildung an- zubieten. Nicht nur Söhne, sondern auch Töchter 1638 wurde offiziell die Töchterschule gegründet. Zeit- lich fällt dies mit der Einführung der sogenannten Kin- derostern zusammen, aus der später die Solätte hervorging. Man kaufte dafür ein Haus am Kirchbühl und quartierte die Schule samt ihrer «Lehrgotte» dort ein. Später entstand dort auch eine Arbeits- und Obere Schule für Burgerstöchter. Die drei städtischen Schulen (Lateinschule, Töchter- schule und deutsche Lehrmeisterei) wurden 1755 zur Burgerlichen Knaben- und Mädchenschule zusam- mengelegt. Untergebracht wurde diese Schule in wei- teren Gebäuden am Kirchbühl. Sie war wohl anfangs auch für nicht-burgerliche Kinder offen. Doch weil der Anteil der sogenannten Hintersassen, d.h. der ohne po- litische Rechte und meist wirtschaftlich schlecht ge- stellten Bewohner Burgdorfs markant zugenommen hatte, entschied man sich 1773, eine zusätzliche, ge- trennte Schule speziell für Hintersassenkinder einzu- richten. Einquartiert wurde diese an der Kornhausgasse gleich neben der damaligen Werkstatt des Schuhma- chers Samuel Dysli. Schumacher Dysli war denn auch gleich der Schulmeister der Hintersassenkinder. 60 Kinder im Klassenzimmer waren noch bis weit ins 20. Jahrhundert keine Seltenheit. © depositphotos

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