Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 03 - Herbst 2020

8 mit dem Neubau der Emmenbrücke in Kirchberg zu- sammen, die dann entsprechend für den Transport von «Kaufmannsgütern» und Lastträgern dimensioniert wurde. Die Linienführung der «grande Route», wie die Strecke nach dem neuerlichen Ausbau um 1760 hiess, brachte die Stadt Burgdorf, die damals nur rund 1200 Einwohner zählte, ins Abseits des überregionalen Handels. Ausschlaggebend für diesen Entscheid war wohl nicht nur die tatsächlich gradlinigere Strecken- führung, sondern das berüchtigte Gefälle zwischen Oberstadt und Unterstadt, das im Winter unpassierbar war und erst mit demBau des Staldenkehrs viele Jahr- zehnte später für Fuhrwerke ent- schärft wurde. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts for- cierte die Berner Strassenpolitik nicht mehr den Bau von Fernhandelsstra- ssen, sondern die flächendeckende Erschliessung des gesamten Territo- riums. Unter die Strassen zweiter Klasse fielen auch die Strecken von und nach Burgdorf Richtung Hindel- bank/Bern, Langenthal und Thun. Und dann kam die Eisenbahn… Als in den 1850er Jahren die Eisenbahnprojekte in der Schweiz vorangetrieben wurden, wollte Burgdorf um jeden Preis vermeiden, wieder ins Abseits zu geraten. Die durch die Centralbahngesellschaft ursprünglich vorgesehene Streckenführung zwischen Bern und Olten hätte Burgdorf umgehen wollen und stattdessen über Kirchberg geführt. Dies auf Grund eines Gutach- tens, das beimWeg über Burgdorf nachteilige »bedeu- tende notwendige Erdbewegungen» und schlimmere Steigungsverhältnisse feststellte. Im Weg stand na- mentlich der Gyrisberg, der durchtunnelt werden musste. Doch diesen negativen Vorentscheid wollte man in Burgdorf nicht einfach so hinnehmen. Alexan- der Bucher, damals Gemeindepräsident, und weiteren Burgdorfer Persönlichkeiten und Industriellen ist es zu verdanken, dass zusammen mit dem Kanton und der Centralbahn eine Lösung gefunden werden konnte. Der Preis dafür war allerdings hoch und kostete die Gemeinde viel Geld. Der eingesetzte «Eisenbahnaus- schuss» wandte sich deshalb an die Bevölkerung mit der Aufforderung, freiwillig Beiträge für die benötigte Summe zu leisten. Denn um die Streckenführung über Burgdorf erzwingen zu können, musste die Stadt ge- wisse Mehrkosten übernehmen. Der Tunnel durch den Gyrisberg musste gebaut werden, damit der Bahnhof möglichst nah am Stadtzentrum zu liegen kam. Nun war ein 500 Meter Tunnelbau zu jener Zeit keineswegs etwas Alltägliches. Der Burgdorfer Eisenbahntunnel gehörte zu den ersten in der Schweiz. Und er war erst noch umstritten: In einem offenen Brief im «Emmen­ taler Bote» beschwerte sich der in jüngeren Jahren so fortschrittlich denkende Prof. Joh. Schnell über den geplanten Tunnel und die Linie, die «in einer Weise an seinemLandhaus (inneres Sommerhaus) vorbeizieht, dass sie seines vorzüg- lichsten Reizes, seiner Stille und Abgeschie- denheit beraubt» wird. Überhaupt fand er es unangebracht, dass die Schweiz von Eisenbah- nen durchzogen werde. Und mit dieser Mei- nung war er keineswegs allein. Die Eisenbahn hatte zu jener Zeit viele Skeptiker zu überzeu- gen. «Nachdem von den obersten eidgenössischen Behörden die Einführung der Eisenbahnen in der Schweiz beschlossen war, konnte es sich für Burgdorf nur noch darum handeln, von denselben den möglichst gerin- gen Nachteil oder grösstmög- lichen Vorteil zu ziehen.» Aus einer Mitteilung des Eisenbahnausschuss an die Burgdorfer Bevölkerung 1854 Ausschnit der «grande route» mit der vom Kanton Bern bevorzugten und ausgebauten Variante über Kirchberg Bild: Burgerarchiv Burgdorf

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