Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 02 - Sommer 2020

9 Quellen • Rechtsquellen des Kantons Bern Anne-Marie Dubler, 1995 • Bericht an den Grossen Rath der Republik Bern, 1832 • Knaben-Armenerziehungsanstalt auf dem Bättwyl, Walter Marti-Glanzmann, im Burgdorfer Jahrbuch 1943 • geschichtedersozialensicherheit.ch, Bundesamt für Sozialversicherungen Die Gemeinnützige Gesellschaft Burgdorf Die Gemeinnützige Gesellschaft von Burgdorf wurde 1821 ins Leben gerufen. Zu den Gründungsmitglie- dern gehörten unter anderen die Gebrüder Schnell sowie Mitglieder des im gleichen Jahr gegründeten Lesezirkels. Bei ihrer Gründung standen die Errich- tung einer Ersparniskasse, die Unterstützung der Armen und die Förderung des Schul- und Erziehungs- wesens im Mittelpunkt. Bereits ein Jahr später wurde die Ersparniskasse er- öffnet. Sie war gedacht als «Hilfe zur Selbsthilfe» und zur Förderung der Eigenverantwortung für die ärme- ren Bevölkerungskreise. Ebenfalls von Anfang an aktiv war die Gesellschaft in der Armenpflege. Etwas später übernahm sie auch das Armenwesen der Kirchgemeinde, bis dieses mit dem Armengesetz von 1857 in die Kompetenz der öffentlichen Hand überging. Seither unterstützte die Gemeinnützige Ge- sellschaft Bedürftige punktuell und in akuten Not­ situationen mit finanziellen Mitteln. Die Liste der wohltätigen Aktivitäten ist lang: Die Gemeinnützige Gesellschaft gründete die Arbeits- schule für Mädchen und führte die Knaben-Armener- ziehungsanstalt Bättwyl (1848–1854). Sie war viele Jahrzehnte lang in der Alters- und Krankenpflege ebenso aktiv wie in der Fürsorge und Kulturförde- rung. Mit Stipendien ermöglichte sie jungen Menschen schulische und berufliche Ausbildung und förderte das lokale Gewerbe. Die Spuren dieses enormen Engagements sind bis heute in Burgdorf sichtbar. Entstehung der Sozialhilfe Im Verlauf des 19. Jahrhunderts vereinheitlichten die Kantone die öffentliche Armenpflege mittels Fürsor- gegesetzen. Ihr Wesen blieb jedoch unverändert: aus Burgdorfer Jahrbuch 1943 Die Armenerziehungsanstalt Bättwyl oberhalb Burgdorf wurde 1715 ursprünglich als Stadthof erbaut Bedürftige waren sowohl auf private Wohltätigkeit als auch auf öffentliche Fürsorge seitens ihrer Gemein- den angewiesen. Mit der Industrialisierung, dem Wachstum der Städte und der allgemeinen Bevölkerungszunahme entstan- den im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts neue Formen der Armut und sozialer Notlagen. Immer mehr Frauen und Männer zogen vom Land in die Stadt und arbeiteten als Lohnabhängige in Industrie und Gewerbe. Der Umbau der Armenpflege zur modernen Sozialhilfe begann unter dem Druck der sozialen Un- gerechtigkeiten erst um 1900 in den fortschrittlichen Städten. Im Zentrum stand die Armut und soziale Not in den Arbeiterquartieren. Die Sozialhilfe im heutigen Sinn entstand erst mit der Reform und dem Ausbau der kantonalen Fürsorgegesetze seit dem Zweiten Weltkrieg und mit der Einführung der AHV 1948. Vieles hat sich im Lauf der Zeit verändert. Die leid- volle und bis weit ins 20. Jahrhundert tolerierte Praxis der Fremdplatzierung und Verdingung wird mittler- weile als Unrecht verurteilt und aufgearbeitet. Eines aber ist geblieben: Damals wie heute braucht es nebst der öffentlichen Fürsorge das Engagement privater Organisationen.

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