Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 02 - Sommer 2020

7 Burger gewählt wurde. Er musste dem Schultheiss, den Räten und Burgern jeweils über seine Tätigkeit Re- chenschaft ablegen. Das um 1420 gestiftete Obere Spital lag wenige Meter weiter oben Richtung Oberstadt, etwa auf Höhe der heutigen langen Treppe bei der Staldenbrücke. Es diente ebenfalls als Alters- und Krankenheim. Man nannte es auch das «Stampf Spital», da es auf eine Stiftung der Margaret Büeler, Witwe des wohlhaben- den Burgdorfer Schmiedes Konrad Stampf, aus dem Jahre 1419 zurückging. Finanziell getragen wurden die Spitäler meist durch die Einkünfte aus kirchlichen Ländereien, aber auch durch die Zuwendungen der wohlhabenden Bevölke- rungsschicht. Wer Bedürftige unterstützte, wurde zu jener Zeit oft mit Sündenablass belohnt. 1742 wurde das Obere Spital aufgehoben bzw. dessen Verwaltung mit jener des Unteren Spitals zusammengelegt. 1831 ging sein Vermögen an das neue Spital (das spätere Burgerheim) über. 1839 wurde es schliesslich auf­ gehoben. Armut im 16. und 17. Jahrhundert Im Verlauf des 16. und 17. Jahrhunderts sah sich die Obrigkeit vor verschiedene neue Aufgaben gestellt. Die Armenfürsorge und die Wirtschaftspolitik gaben ozialhilfe grosse Probleme auf. Die kirchlichen Fürsorgeeinrich- tungen bzw. ihre säkularisierten Nachfolgeorganisa­ tionen genügten den Anforderungen nicht mehr. So erliess die bernische Obrigkeit bereits 1545 erstmals ein Mandat, wonach die Fürsorge für die Armen in der Verantwortung der Gemeinden liege. Die Armuts­ probleme spitzten sich im Verlauf des 17. Jahrhun- derts zu. Durch die starke Bevölkerungszunahme wuchs nun auch die Zahl der besitzlosen Unterschicht: Immer mehr Menschen zogen oft in Gruppen bettelnd durchs Land und wurden zum Ärgernis für die einhei- mische Bevölkerung. Sie wurden schikaniert, einge- sperrt und verjagt, aber niemand wollte sie aufnehmen. Grössere Gemeinden und Städte hatten erhebliche Probleme mit mittellosen Zuzügern, welche nach Einkünften und Almosen zum Überleben suchten. In Burgdorf kam erschwerend hinzu, dass die wirt- schaftliche Blüte des 15. Jahrhunderts allmählich in Stagnation übergegangen war. Die Gründe lagen im Übergang zur Zunftwirtschaft, deren Bestimmungen seit Ende des 16. Jahrhunderts die freie Entwicklung der Handwerke zunehmend hemmten. Die Berufsaus- übung wurde vom Kauf von Bürgerrecht, Wehr und Meisterschaft abhängig gemacht. All dies und äussere Einflüsse wie Ernteausfälle oder politische Wirren sorgten dafür, dass weniger Mittel zur Verfügung standen, um die Menschen am Rand der Gesellschaft zu versorgen. Es herrschte der Grundsatz, dass fremde Bettler fortzuweisen, einheimische «würdige» Arme aber von ihren Gemeinden zu unterhalten seien. Die Bettelordnung von 1676: Die Heimat­ gemeinde wird zuständig für das Armenwesen Der Versuch, die grassierende Armut in den Griff zu bekommen, führte in der gesamten Eidgenossen- schaft letztlich zur Installierung des Bürgerrechtsge- dankens im Sinne eines «Heimatrechts». 1676 erliess die Berner Obrigkeit eine Bettelordnung mit dem Ziel, dass inskünftig alle Bewohner, welche längere Zeit in einer Gemeinde ansässig waren, dort auch das Bür- gerrecht erhalten sollten. Alle bernischen Staatsbür- ger wurden von der «staatlichen Almosenkammer» einer Heimatgemeinde zugewiesen, die sie bei Mittel- losigkeit aufnehmen und versorgen musste. Im Gegenzug wurden den Gemeinden das Recht zuer- kannt, wenn nötig in Form von sogenannten «Armen- Abb. links: Albert Anker, die Armensuppe Abb. rechts: Das neue Spital (späteres Burgerheim)

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