Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 01 - Frühling 2020

7 «fremdländischen» chemischen Produkte doch unbe- dingt durch einheimische Präparate ersetzt werden sollten. Knapp 6 Wochen später wurde die Konzession zur Herstellung chemischer Präparate und zum Be- trieb von Farbreiben erteilt. Die Behörde stellte ledig- lich die Bedingung, dass der Betriebsleiter ein ausgebildeter Apotheker sein müsse. Die erste Bleiweissfabrik der Schweiz Die Herstellung von chemischen Präparaten konnte nie so richtig in Betrieb genommen werden. Dafür konzentrierte sich die Schnell & Comp. auf die Produktion von Blei- weiss, Buntfarben und Schnell’schem Essig. Eine tragende Rolle beim Aufbau der Fabrikation spielte Joseph Heinrich Ruef, ein aus Deutschland zugezoge- ner Apotheker, der zuvor schon in der Grimm’schen Apotheke (Grosse Apo- theke) angestellt war. Der unterneh- mungslustige Deutsche trieb als Betriebsleiter die Entwicklung der Fabrik tatkräftig voran. Als kaufmännischer Leiter amtete übrigens ein gewisser Heinrich Fehr, der später das erste Burg- dorfer Käse-Handelshaus gründen sollte. ion Das umstrittene Weiss Bleiweiss war schon seit dem Altertum ein bedeuten- des Weisspigment und ebenso berüchtigt für seine toxische Wirkung. Trotzdem hat es sich über Jahrhun- derte gehalten und wurde sogar für Schminke einge- setzt oder in Salben zur Wundbehandlung. Die medizinische Anwendung war zu Zeiten der Schnell’schen Bleiweissfabrik weitgehend überwun- den. Dafür galt Bleiweiss zu jener Zeit als am besten deckender Weisston. Im Gegensatz zu anderen Weiss- pigmenten vergilbten Bleiweiss und verwandte Pro- dukte nicht so schnell und wurden deshalb flächendeckend für Holz- und Metallanstriche ver- wendet. Dementsprechend stieg der Bedarf in den Wachstumsjahren des frühen 19. Jahrhunderts stetig. Dass die Produktion die Arbeiter gesundheitlich stark belastet, war schon damals bekannt. Der Kontakt mit Materialien wie Blei, Arsen etc. führte zu vielen Er- krankungen. Vorbeugend wurden den Arbeitern tägliche Bäder, Milch und natürlich Bier in rauen Mengen zur Verfügung gestellt. Schliesslich gab es in unmittelbarer Nach- barschaft die Lochbach Bierbrauerei und das Lochbachbad, übrigens auch im Besitz der Familie Schnell. Seit den 1930er Jahren ist die Verwendung von Blei- weiss und vielen anderen «alten» Pigmenten verboten oder zumindest stark eingeschränkt. «Möchten nur in allen Zwei- gen der Industrie solche mit Umsicht und Gründlichkeit geführte Etablissements in unserem Vaterlande sich erheben…» Würdigung der Schnell & Comp. anlässlich der Industrieausstellung 1848 Die verschiedenen Grüntöne der Schnell & Comp. wurden als «so frisch und so weich wie sie nur irgendwo zu finden sind und ganz preiswürdig» gelobt. Das sogenannte «Schweinfurter Grün» wurde zum Bedrucken von Tapeten, zum Färben von Alltagsgegenständen, Spielzeug und sogar von Nahrungsmitteln verwendet. Einen regelrechten modischen Boom erlebte das «Schweinfurter Grün», mittlerweile auch als «Pariser Grün» bekannt, in den 1850er Jahren, als gut betuchte Damen möglichst leuchtend grüne Ballkleider trugen. Es sollte noch Jahrzehnte dauern, bis der Farbstoff wegen seiner Giftigkeit verboten wurde.

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