Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 03 - Herbst 2019

8 Quellen • Emmenthaler Tuchherren durch drei Jahrhunderte F. A. Roedelberger in Zürcher Illustrierte (1938) • Chronik des Kantons Bern Albert Jahn (1857) • Bericht über die im Julius 1830 in Bern eröffnete Industrie-Ausstellung, verfasst von Karl Brunner (1830) • Livre d'adresses des principales maisons de commerce et manufactures ... de la ville et du canton de Berne ... (1810) Die Flachsspinnerei der Gebrüder Miescher 1839 errichteten die Gebrüder Miescher aus Walkrin- gen in Burgdorf die erste mechanische Flachsspin- nerei imKanton Bern. Umdie teure Anlage finanzieren zu können, gründeten sie die erste Aktiengesellschaft im Kanton Bern und gaben 100 Aktien zu je Fr. 4000 aus. Die Aktien waren rasch verkauft. Auch die «alten» Tuchherren Fankhauser beteiligten sich. Mit dieser Investition wollte man den englischen, ma- schinell hergestellten Halbfabrikaten und Produkten trotzen. Der Betrieb der Mieschers auf dem heutigen Schafroth-Areal war zu jener Zeit die grösste Fabrik in Burgdorf. Dem Vorbild der Mieschers folgten weitere Fabrikbe- triebe, die Burgdorf zu einem Zentrum der Schweize- rischen Textilindustrie machten. Hans Schafroth und Johann Hubler gründeten 1857 direkt beim eben erst eröffneten Bahnhof ihre «Kunstwollfabrik» Hubler & Schafroth. Wobei der Begriff «Kunstwollfabrik» eher irreführend ist. Denn hier ging es insbesondere um die Verarbeitung von Lumpen und getragenen Kleidern zu Fasern, sogenannte Reisswolle, aus denen dann billige Tuche und Decken hergestellt wurden. Rund 150 Arbeiter waren damit beschäftigt. Ebenfalls in diese Epoche fällt die Gründung des Unternehmens von Alexander Bucher, der späteren Bucher & Co AG, die in Handel und Produktion von Wollwaren tätig war. Die Eisenbahn setzte neue Impulse Nach den ursprünglichen Plänen der Centralbahn sollte die Linienführung nicht über Burgdorf gehen. Dank dem Einsatz von Nationalrat Alexander Bucher und anderen Persönlichkeiten unserer Stadt, konnte erreicht werden, dass die Bahn doch über Burgdorf geleitet wurde. Die 1857 eröffnete Bahnstrecke, die Burgdorf mit Bern und Olten verband, veranlasste weitere Unternehmer, ihren Standort nach Burgdorf zu verlegen. So entstand in direkter Nachbarschaft der Kunstwollfabrik die Leinwandfabrik der Gebrüder Ru- dolf und Andreas Schmid. Die Schmids waren eine alte Leinwandunternehmer-Familie aus Eriswil. Mit ihrer Filiale in Burgdorf stellten auch sie vom Verlagssystem auf den Fabrikbetrieb um. Ihr Unternehmen entwi- ckelte sich in den folgenden Jahren zu einem Grossbe- trieb mit gegen 150 Arbeitskräften. Begünstigt wurde diese Entwicklung nicht nur durch die Eisenbahn, son- dern insbesondere auch durch den Amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865), der die in Amerika angebaute Baumwolle derart verteuerte, dass die Nachfrage nach Leinengeweben stark anstieg. Der Boom führte vorerst zum Ausbau der Fabriken. Hubler & Schafroth erweiterten bereits ab 1865 ihren Betrieb mit einer Spinnerei, einer Wäscherei und einer Färberei. Ihr Erfolg sollte über die Jahrhundert- wende andauern. Auch die Wirren des ersten Welt- kriegs brachten dank Importbeschränkungen und Aufträgen der Armee einen Aufschwung, aber auch eine Konzentration. Die Anzahl der Betriebe begann zu schrumpfen. Die Geschichte der Textilindustrie ist eine Geschichte des steten Wandels und ein Musterbeispiel für die Einflüsse der technischen Entwicklung auf die Ar- beitswelt. Noch heute zeugen ganze Areale, kleine Wasserkraftwerke und Fabrikanten-Villen von der einstigen Hochblüte dieses Industriezweiges. Die Massenfabrikation ist längst in die Billiglohnländer Asiens abgewandert. Und dennoch gibt es auch heute noch spezialisierte und innovative Textilunternehmen in unserer Region, welche die bewegte Geschichte fortschreiben. Burgerarchiv Burgdorf Schmid & Co. Leinenweberei 1914

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