Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 03 - Herbst 2019

24 Vor fast genau 100 Jahren, am 17. November 1919, machten sich rund 400 der über 2200 stimmberech- tigten Burgdorfer auf den Weg in die Kirche, um an der einberufenen ausserordentlichen Gemeindever- sammlung über eine neue Gemeindeordnung zu be- finden. Eine wichtige Entscheidung, die wegen ihrer weitreichenden Konsequenzen schon im Vorfeld viel zu reden gab. Schliesslich ging es um nichts weniger als die Abschaffung eben dieser Gemeindever- sammlung und die Einführung eines im Proporz­ verfahren gewählten Stadtparlaments. Die Zeit war reif für die Fragen rund um eine gerech- tere Mitbestimmung der Bevölkerung am politischen Geschehen. Erst wenige Wochen zuvor, am 26. Okto- ber 1919, wurde der Nationalrat erstmals im Proporz- Verfahren gewählt, was eine deutliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Rat zur Folge hatte. Auch auf kantonaler Ebene hatte man die Zeichen der Zeit erkannt und bereits angekündigt, den Proporz einzu- führen und damit eine gerechtere Volksvertretung im Grossen Rat zu garantieren. Die Tatsache, dass aus der Nationalratswahl die erst- mals antretende, in den Kriegsjahren gegründete Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB) aber ins- besondere auch die aufsteigenden Sozialdemokraten als grosse Sieger hervorgingen, während der Freisinn grosse Verluste erlitt, machte auch die Burgdorfer Bürgerlichen etwas nervös. So versuchten sie für die Abstimmung über die Gemeindeordnung ihre Anhän- ger vehement zu mobilisieren, um die erwarteten An- träge der «Linken» überstimmen zu können. Diese Mobilisierung gelang zwar nicht. Aber im Grundsatz waren sich alle Parteien recht einig. Der vom freisin- nig dominierten Gemeinderat vorgelegte Entwurf der neuen Gemeindeordnung wurde mit wenigen Anpas- sungen für gut befunden. Damit war entschieden, dass es in Burgdorf künftig einen 40-köpfigen Stadt- rat geben soll, der die unterschiedlichen Anliegen und Meinungen der Burgdorfer Bevölkerung angemessen vertritt. Wie es dazu kam Die Zeit war geprägt durch viele soziale Auseinander- setzungen, die gegen Ende des ersten Weltkriegs (1914–1918) auch die Schweiz erfassten. In den Kriegs- jahren tat sich nämlich eine immer grössere Kluft zwischen erfolgreichen Unternehmern, die vom Krieg profitierten, sowie der florierenden Landwirtschaft einerseits und der zunehmend verarmenden Arbei- terschaft andererseits auf. Diese Spannung gipfelte im landesweiten Generalstreik von 1918. Eine wich- tige Forderung der Arbeiterschaft war auch die bes- sere Vertretung ihrer Bedürfnisse in den Räten durch 100 Jahre Stadtrat Auf dem Weg zu gerechter

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