Burgdorfer StadtMAGAZIN Nr. 02 - Sommer 2019

4 Mitte des 15. Jahrhunderts war Burgdorf mit rund 800 Einwohnern grösser als Thun und die meisten bernischen, aargauischen und westschweizerischen Kleinstädte. Die enorme Vielfalt von Handwerk und Gewerbe zeichneten die Stadt vor ihren benachbar- ten Dörfern aus. Die Burgdorfer Handwerker und Gewerbetreibenden arbeiteten vor allem für lokale Bedürfnisse. Auch die schon früh bedeutenden Zweige wie Gerberei, Woll- und Leinenweberei hatten lediglich regionale Bedeu- tung. Wie andere Handwerker in Kleinstädten organisierten sich auch die Burgdorfer im 14. und 15. Jahrhundert in «Gesellschaften». Es entstanden sechs Handwerksgesellschaften mit eigenen Häu- sern; im Kleinstädte-Vergleich nahm Burgdorf damit den ersten Rang ein, vor Baden und Zofingen mit je fünf Gesellschaften und vor anderen aargauischen, bernischen und luzernischen Landstädten. In der Oberstadt waren die Häuser der beiden Doppel- zünfte der Schmiede und Zimmerleute sowie der Metzger und Schuhmacher, zudem die Häuser der Pfister, Weber und Schneider. Das Gesellschaftshaus der Gerber befand sich in der Unterstadt. Bereits im frühen 17. Jahrhundert gewann der Handel, insbeson- dere mit Leinen, an Bedeutung. In diese Zeit fiel die Gründung der Tuch-Handelshäuser der Familie Trechsel (vor 1627) und von Jakob Fankhauser (um 1630), aus dem später die Worb & Scheitlin AG wurde. Die aufblühende Leinen- und Textilindustrie war für die wirtschaftliche Entwicklung der ganzen Region entscheidend. Sie bildete den eigentlichen Motor für die Industrialisierung aber auch für den Aufbau der weltweiten Handelsbeziehungen. Stagnation im 18. Jahrhundert Im Zuge der Mechanisierung begann im späten 18. Jahrhundert in vielen Teilen der Welt der Übergang von Heimarbeit und Kleingewerbe zur industriellen Fertigung. Während in anderen Gegenden der Welt die industrielle Revolution im Gange war und auch man- che Regionen der Schweiz, insbesondere die Ost- schweiz, dank den neuen Betriebsformen und «Manufakturen» aufblühten, fanden «protoindustri- elle», serielle Produktionsformen in Burgdorf nur wenig Anklang. Die alten Produktionsweisen des Lohn- und Handwerks und der Heimarbeit wurden bevorzugt. Zudem zogen es viele Bürger vor, im be- quemen Verwaltungsdienst zu verweilen, statt sich im riskanten Aufbau von Handel und Industrie zu enga- gieren. Diese Trägheit wirkte sich auch auf die Bevöl- kerungsentwicklung aus: Während andere Kleinstädte kräftig wuchsen, zählte Burgdorf 1764 erst 1225 Ein- Burgdorfer Industriegeschichte Bewegte Geschichten mit K

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